„Es geht nicht um Zahlen, – es geht um Menschen“. Antwort unseres Bundestagsabgeordneten Dr. Sascha Raabe auf den Offenen Brief des AK Asyl – Vielfalt in Maintal e. V.
Auch die Aktion „Bischofsheim ist bunt“ am Sonntag hat wieder gezeigt, dass der Mehrheit der Menschen das Schicksal der Geflüchteten nicht gleichgültig ist (s. Maintal Tagesanzeiger vom 22.09.). Gut, dass sich auch viele politisch Verantwortliche für kurzfristige und nachhaltige Lösungen einsetzen. Wir bleiben dran!
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Ihr Offener Brief an die Bundestagsabgeordneten des WK 180 – Dr. Katja
Leikert (CDU/CSU) und Dr. Sascha Raabe (SPD)

Sehr geehrte Frau Mayer-Simon,
sehr geehrter Herr Ahmed Saleh Ahmed,
liebe Engagierte im Arbeitskreis Asyl – Vielfalt in Maintal e.V.,

ich möchte mich für Ihren wichtigen Brief bedanken. Die humanitäre Katastrophe auf Lesbos beschäftigt uns alle und viele Bürgerinnen und Bürger aus dem Main-Kinzig-Kreis melden sich dazu bei mir. Die Bilder, die uns seit Monaten und insbesondere in den vergangenen Tagen aus Moria erreichen, sind schrecklich und bewegen mich zutiefst.

Ich habe mich in der vergangenen Woche mit zahlreichen meiner Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion in einem Brief direkt an die Kanzlerin gewandt. Wir haben darin scharf die damals noch beschämend geringen Zusagen Deutschlands zur Aufnahme von nur 150 Geflüchteten aus Moria scharf kritisiert und die Kanzlerin zu einem Umdenken und zum schnellen Handeln in dieser unmittelbaren Not aufgefordert. Es ist gut, dass sich die Union auf unseren Druck seitdem endlich bewegt hat.

Deutschland nimmt nun insgesamt ca. 2750 Personen aus Griechenland auf – 981 mit den Zusagen seit März, 150 unbegleitete Minderjährige mit der Entscheidung vom vergangenen Freitag, plus nun 1553, hauptsächlich Kinder und ihre Familien.

In der europäischen Koalition der Menschlichkeit beteiligen sich elf EU-Länder plus Norwegen und Serbien an der Aufnahme von Geflüchteten. In diesem Rahmen sind bislang 758 Geflüchtete aus Griechenland überstellt worden, 574 nach Deutschland, 184 in sechs weitere Länder. Weitere EU-Mitgliedsländer leisten über das EUKatastrophenschutzverfahren Sachleistungen vor Ort. Zu der umfangreichen humanitären Hilfe vor Ort aus Deutschland zählen etwa 1028 Zelte, 7000 Schlafsäcke, 1400 Feldbetten, 22 Sanitärcontainer, Decken und Schlafunterlagen. Dennoch läuft der Prozess schleppend.

Ich möchte mich an dieser Stelle deshalb auch ausdrücklich für ihr eigenes Engagement in dieser Sache bedanken. Die mit großer Unterstützung des gesamten Kreises zusammengestellten und versandten Pakete für die Menschen in Moria sind eine großartige Leistung und sie macht mich stolz auf unseren Main-Kinzig-Kreis und Ihren Verein. Jede helfende Hand zählt.
Denn was wir uns bewusst machen müssen – und ich weiß, dass ich hier bei Ihnen auf offene Ohren stoße: Es geht nicht um Zahlen, es geht um Menschen. Wir lassen deshalb nicht nach, bis wir menschenwürdige Bedingungen erreicht haben, die mit europäischem Recht und unseren Werten vereinbar sind.

Liebe Engagierte im Arbeitskreis Asyl – Vielfalt in Maintal e.V., unsere Position bleibt, dass wir soweit helfen sollten, wie Länder und Kommunen Bereitschaft signalisieren. Dafür brauchen wir umgehend eine ständig zu aktualisierende Aufstellung, in welcher Größenordnung dies geschieht. Freiwillige kommunale Aufnahme sollte durch den Bund ermöglicht und aus europäischen Mitteln gefördert werden.

In der vergangenen Woche hat zudem die Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion ein Positionspapier beschlossen, das zusammenträgt, welche anderen konkreten Lösungen es jetzt in Griechenland insgesamt braucht. Ich füge Ihnen diesen, wie auch den Brief an die Kanzlerin, dieser Nachricht noch einmal an. Denn insgesamt sind die EU und ihre Mitgliedsstaaten in Fragen der Asyl- und
Flüchtlingspolitik weiterhin nicht handlungsfähig. Und das müssen wir dringend ändern.

Lassen Sie mich als entwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion abschließend noch bemerken, dass wir uns auch dringend um die Bekämpfung der Fluchtursachen kümmern müssen, damit Menschen in ihrer Heimat sicher und würdig leben können. Dafür haben wir die Mittel im Bundeshaushalt stark erhöht, allerdings kommen andere Industrieländer ihren internationalen Verpflichtungen leider kaum nach.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Sascha Raabe

Raabe_Arbeitskreis Asyl_ 21.09.2020